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P&O-Kündigungen: Gewerkschaften fordern UN auf, britische Nichtdurchsetzung von Arbeitsgesetzen zu untersuchen

NACHRICHTEN Presseerklärung 17 May 2022

Eine Gruppe von Gewerkschaften und globalen Gewerkschaftsverbänden hat die Internationale Arbeitsorganisation (IAO, ein Teil der Vereinten Nationen) in einem Schreiben aufgefordert, dringendst in den Fall der 800 Seeleute einzugreifen, die von P&O Ferries illegal entlassen und skandalös behandelt wurden.

Die Gewerkschaften beschreiben die Nichtdurchsetzung relevanter Arbeitsgesetze und Strafmaßnahmen durch die britische Regierung, nachdem P&O Ferries die Seeleute ohne Konsultation illegal entlassen hatte, als einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Grundprinzipien der IAO hinsichtlich Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen. Die Regierung hat zudem internationale Übereinkommen verletzt, an die Großbritannien gebunden ist.

In Reaktion auf die Missachtung des geltenden Rechtsrahmens durch P&O Ferries haben diverse Arbeitnehmerorganisationen – darunter die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF), die Seeleutegewerkschaften Nautilus International und National Union of Rail, Maritime and Transport Workers (RMT), der britische Gewerkschaftsdachverband Trades Union Congress (TUC), die Europäische Transportarbeiter-Föderation (ETF) und der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) – gemeinsam eine offizielle Beschwerde über die britische Regierung bei der IAO eingereicht.

Für sie ist der Fall so schwerwiegend, dass sie zudem IAO-Generaldirektor Guy Ryder dringend bitten, Großbritannien persönlich auf die Missachtung international anerkannter Arbeitsstandards hinzuweisen. 

"Der CEO von P&O Ferries hat zugegeben, dass die fristlose Kündigung von 800 Seeleuten im März gesetzwidrig war, und gegenüber dem Parlament erklärt, er würde das Gleiche wieder tun", sagte Stephen Cotton, Generalsekretär der ITF. "P&O Ferries hat sich ungeheuerlich und wissentlich illegal verhalten und erwartet, damit durchzukommen." 

Unternehmen können sich freikaufen, Beschäftigte haben kaum Optionen

"P&O Ferries hat sich rücksichtslos über die Rechte dieser Arbeitnehmer*innen auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen hinweggesetzt," so Cotton weiter. "So sieht es aus, wenn dieses Unternehmen seine gesetzliche Verpflichtung zur Beratung mit den Seeleuten sowie ihren Gewerkschaften eklatant missachtet und die Beschäftigten dann per Zoom gesammelt entlässt, durch Sicherheitskräfte mit Handschellen-Training von den Schiffen eskortieren lässt und durch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitskräfte ersetzt, die nur einen Bruchteil des vorigen Lohns erhalten."

Laut Cotton sind Gewerkschaften besorgt, dass Arbeitskräfte nach britischem Recht finanziell unter Druck gesetzt werden können, auf rechtliche Schritte gegen Gesetzesverstöße eines Arbeitgebers zu verzichten.

"P&O Ferries hat den Rechtsbruch 'eingepreist' und dann die Seeleute mit erpresserischen Abfindungen, die höher sind als das, was sie durch eine gerichtliche Klage hätten erreichen können, am Reden gehindert. P&O hat ihr Schweigen gekauft und ihre Rechte ausgelöscht."

Obwohl das Verhalten von P&O unethisch sei, so Cotton, gebe es für Gewerkschaften nach derzeitigem britischem Recht wenig Möglichkeiten, dagegen vorzugehen.

"Über die IAO verlangen wir, dass Großbritannien seine Beschäftigungsgesetze stärkt, damit Arbeitnehmer*innen sich tatsächlich auf die Rechte verlassen können, die ihnen laut Regierung zustehen", erklärte Cotton.

"Es muss eine echte Abschreckungsfunktion für skrupellose Arbeitgeber davon ausgehen. Wir möchten, dass Direktoren ein Berufsverbot erhalten, wenn sie das Konsultationsrecht der Arbeitskräfte mutwillig missachten. Die Deckelung der Abfindung für Beschäftigte, wenn ein Arbeitgeber sie nicht konsultiert, sollte abgeschafft werden. Gerichte müssen Strafen verhängen können, die der Schwere des Verbrechens angemessen sind, wie z. B. bei P&O Ferries mit dem Extrembeispiel von Massenentlassungen, um dann Billigkräfte einzustellen."

Laut Cotton muss die britische Regierung Gewerkschaften und Beschäftigten ermöglichen, Unterlassungsverfahren vor Gericht einzuleiten, um fragwürdige Entlassungen zu stoppen und sogar rückgängig zu machen, bis ein Arbeitgeber die ordnungsgemäßen Konsultationen vornimmt.

Bis diese Veränderungen in Großbritannien Gesetz werden, verstößt das Land gegen IAO-Übereinkommen 87 und 98. Übereinkommen 98 verpflichtet das Land, Mechanismen für Kollektivverhandlungen zu "fördern", und schreibt vor, dass Arbeitnehmer "vor jeder gegen die Vereinigungsfreiheit gerichteten unterschiedlichen Behandlung, die mit ihrer Beschäftigung in Zusammenhang steht, angemessen zu schützen" sind.  

Gewerkschaften protestieren

RMT-Generalsekretär Mick Lynch kommentierte: "Gangster-Kapitalisten wie P&O Ferries treten das Gesetz und Sicherheitsstandards für die Seeschifffahrt mit Füßen, um das schnelle Geld zu machen. Das ist nicht hinnehmbar. Für Arbeitgeber wie P&O Ferries, die Arbeitnehmerrechte vorsätzlich angreifen, damit sich ihre Besitzer in Dubai bereichern können, muss es wirkungsvolle rechtliche Konsequenzen auf IAO-Ebene geben."

Mark Dickinson, Generalsekretär der Nautilus International, sagte: "50 Tage nach dieser selbstverschuldeten Krise hat P&O-CEO Peter Hebblethwaite, der einen Rechtsbruch selbst zugab, in keiner Form für die illegale Entlassung unserer Mitglieder bezahlt. Er muss gehen." 

ETF-Generalsekretärin Livia Spera kommentierte: "Die Nichtdurchsetzung ihrer Arbeitsgesetze durch die britische Regierung schafft einen gefährlichen Präzedenzfall für skrupellose Arbeitgeber in ganz Europa. Minister müssen einschreiten und aufräumen, damit wir nie wieder mit ansehen müssen, wie die Lebensgrundlage von Beschäftigten durch derart kalkulierte, mitleidlose Arbeitgeberpraktiken zerstört wird."

Frances O'Grady, TUC-Generalsekretärin, sagte: "Niemand sollte so ausgebeutet werden, doch unser Arbeitnehmerschutz ist derart schwach, dass Arbeitgeber mit tiefen Taschen ihn einfach umgehen können."

"Dieser nationale Skandal sollte ein Wendepunkt für Beschäftigtenrechte in Großbritannien sein. Aber Boris Johnson hat sein seit langem zugesagtes Beschäftigungsgesetz zur Stärkung der Rechte von Arbeitnehmer*innen nicht geliefert. Die arbeitende Bevölkerung hat genug. Sie braucht mehr Schutz und mehr Würde bei der Arbeit. Skrupellose Arbeitgeber, die gegen das Gesetz verstoßen, müssen durch härtere Sanktionen und höhere Bußgelder bestraft werden, als dies nach aktuellem Recht möglich ist."

Sharan Burrow, Generalsekretärin des IGB, erklärte: "Menschenwürdige Arbeit, Versammlungsfreiheit und Kollektivverhandlungen müssen im Mittelpunkt von Beschäftigungsgesetzen stehen. Das Arbeitsrecht muss Arbeitnehmer*innen schützen. Jetzt ist es für die britische Regierung an der Zeit, ihre Gesetze zu stärken und Unternehmen, die das Recht brechen, schwer zu bestrafen. Er darf nicht sein, dass Arbeitgeber ihre Beschäftigten einfach entlassen und durch Billigarbeitskräfte ersetzen können."  

Hinweise für Redaktionen:

Von Gewerkschaften geforderte Gesetzesänderungen

  • Möglichkeit für Gewerkschaften, Unterlassungsverfügungen zu beantragen, um illegale Entlassungen zu verhindern oder Arbeitskräfte wieder einzustellen, bis umfassende und sinnvolle Konsultationen stattgefunden haben
  • Erlass von Gesetzen, die branchenweite Kollektivverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern für alle Fähren etablieren, die britische Häfen anlaufen, und Kollektivverträge rechtsverbindlich machen (wie nach dem Wages Councils Act 1976)
  • Aufhebung des Verbots von Sympathiearbeitskampfmaßnahmen, wenn der betroffene Arbeitgeber eine gesetzliche Pflicht zur Konsultierung der anerkannten Gewerkschaft nicht erfüllt hat
  • Erklärung der unterlassenen Konsultierung von Gewerkschaften durch ein Unternehmen und sein Management zu einer Straftat mit unbegrenztem Bußgeld
  • Aufhebung der Höchstgrenze für Abfindungen bei unterlassener Konsultierung (aktuell gedeckelt auf 90 Tage vertraglicher Lohn)
  • Abänderung der TUPE Regulations 2006, sodass Gewerkschaften Unterlassungsverfügungen beantragen können, um den Unternehmensübergang zu stoppen, bis umfassende und sinnvolle Konsultationen stattgefunden haben
  • Abänderung des Employment Rights Act 1996, um die von P&O Ferries angewandten Methoden, Beschäftigte zu entlassen und durch Billigkräfte zu ersetzen, zu verbieten
  • Erlass stärkerer, flagggenunabhängiger Gesetze zum Schutz aller Seeleute vor jeglicher Form von Diskriminierung (was britischen Behörden mehr Eingriffsmöglichkeiten geben würde, auch wenn das Schiff unter einer anderen Flagge registriert ist)
  • Abänderung des Company Directors Disqualification Act 1986, um unterlassenen Konsultierung zu einem Grund für ein Verbot der Tätigkeit als Direktor*in zu machen

 

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