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HIV-Prävention nicht aus dem Fokus verlieren

NACHRICHTEN 03 Dec 2021

Am heutigen Welt-Aids-Tag (1. Dezember) appelliert die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) nachdrücklich an die Akteure im gesamten Verkehrssektor, die HIV-Prävention während der Covid-19-Pandemie nicht aus dem Blick zu verlieren und die bisherigen hart erkämpften Fortschritte nicht aufs Spiel zu setzen.

Das Thema des diesjährigen Welt-Aids-Tags lautet “Ungleichheiten beenden. AIDS beenden.” mit besonderem Augenmerk auf der Erreichung von benachteiligten Menschen. Die ITF unterstützt diese wichtige Initiative zur Verdeutlichung und Bekämpfung der wachsenden Ungleichheiten beim Zugang zu grundlegenden HIV-Diensten, insbesondere für die Beschäftigten in der Verkehrswirtschaft.

Die Organisation ruft Gewerkschaften, Arbeitgeber und alle relevanten Interessengruppen, einschließlich staatlicher Stellen in der gesamten Branche, erneut dazu auf, in ihren Bemühungen um HIV-Prävention, -Behandlung und -Pflege/Unterstützung nicht nachzulassen und gleichzeitig weiter gemeinsam gegen die Herausforderungen vorzugehen, die das Coronavirus mit sich bringt.

Covid-19 - der große Ungleichmacher

Covid-19 hat bestehende Ungleichheiten weiter verstärkt, ob in wirtschaftlicher, sozialer, kultureller oder rechtlicher Hinsicht. Spaltung, Ungleichheit und Missachtung der Menschenrechte gehören zu den Faktoren, die dazu beigetragen haben, dass HIV sich zu einer anhaltenden globalen Gesundheitskrise entwickelt hat. Die Bekämpfung einer Krankheit darf nicht zu Lasten der Bekämpfung einer anderen gehen.

UNAIDS weist darauf hin, dass überlastete Gesundheitssysteme, der Verlust von Existenzgrundlagen, Lockdowns und der Rückgang von Beschäftigungsmöglichkeiten infolge der Covid-19-Pandemie zu einer Zunahme von ungeschütztem Sex, sexueller Gewalt und Ausbeutung, Transaktionssex und Sexarbeit führen könnten, was wiederum einen Anstieg neuer HIV-Infektionen zur Folge hätte. Hinzu kommt, dass sich die Situation für Verkehrsbeschäftigte, die an Ländergrenzen und grenzüberschreitend tätig sind, hinsichtlich des oftmals eingeschränkten Zugangs zu HIV-Behandlung und -Diensten seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie noch verschärft hat.

Die Covid-19-Bekämpfung ist zwar von hoher Dringlichkeit, die ITF betont jedoch, dass dies nicht zu Lasten von HIV-gefährdeten Verkehrsbeschäftigten gehen darf, die derzeit mit einer doppelten Krise in Form der seit langem bestehenden Epidemie und der neuen Pandemie konfrontiert sind. Nach wie vor ist die Zahl der von HIV betroffenen Menschen weltweit erschreckend hoch. Im Jahr 2020 infizierten sich 1.500.000 Menschen mit HIV und 680.000 starben an HIV-bedingten Ursachen, während sich die Zahl der Covid-19-Toten im selben Jahr auf 1.813.188 belief (wobei einige vorläufige Schätzungen darauf hindeuten, dass die offizielle Zahl der Todesopfer höher sein könnte). Diese Zahlen machen deutlich, dass die HIV-Krise mit Sicherheit noch lange nicht vorbei ist.

UNAIDS und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben mathematische Modellrechnungen unterstützt, um den Nutzen der Aufrechterhaltung von HIV-Diensten im Vergleich zum potenziellen Schaden einer zusätzlichen Covid-19-Übertragung zu ermitteln. Die Analyse zeigt, dass mit der Bereitstellung von HIV-Diensten zwar kurzfristig eine gewisse Steigerung des Übertragungsrisikos von COVID-19 verbunden ist, das Risiko zusätzlicher Covid-19-Todesfälle jedoch mindestens 100 Mal geringer ist als die AIDS-bedingten Todesfälle, die durch die Fortführung dieser Dienste verhindert werden. Es ist also offensichtlich, dass die Einstellung wesentlicher HIV-Dienste zu einem höheren Gesamttodesrisiko aufgrund mangelnder HIV-Prävention sowie fehlendem Zugang zu Diagnose und möglicher Behandlung führen würde. Die ITF hält derlei Abwägungen für schlichtweg inakzeptabel.

Das Dilemma der HIV-Behandlung auf See

Die ITF verfolgt einen viergleisigen Ansatz zur HIV-Prävention, bestehend aus einem Aufklärungsprogramm, der Bereitstellung von Informationen und der Verteilung von Kondomen, freiwilliger HIV-Beratung und -Tests sowie Behandlung und Pflege. All dies geriet unter immensen Druck oder wurde sogar eingestellt, da das Gesundheitspersonal mobilisiert wurde, um seine Kräfte auf die unmittelbare Prävention, die Durchführung von Tests, die Rückverfolgung von Infektionsketten und Pflegeaufgaben im Zusammenhang mit Covid-19 zu konzentrieren.

Im Verlauf der Covid-19-Pandemie haben wir eine Zuspitzung der Krise im Bereich der Behandlung und medizinischen Betreuung von Seeleuten beobachtet. War die Beschaffung von HIV-Medikamenten für Seeleute schon vor der Pandemie schwierig und lückenhaft, so haben die Quarantänebeschränkungen, die Regierungen dazu veranlassten, Grenzen zu schließen und Seeleuten das Ausschiffen zu untersagen, ihnen den Zugang zu HIV-Medikamenten und medizinischer Behandlung zweifellos noch weiter erschwert. Dies hat nicht nur inakzeptable und verheerende Defizite in der Medikamentenversorgung zur Folge, sondern wird von den Arbeitgebern und denen, die für das Wohlbefinden der Besatzungen an Bord zuständig sind, offensichtlich auch nicht als ernstes Problem wahrgenommen.

Die ITF steht in regelmäßigem Kontakt mit betroffenen Seeleuten, die über soziale Medien um Hilfe bitten, und bemüht sich, dieses Problem auf individueller Basis über ihr Inspektor*innen-Netzwerk anzugehen.

Anhaltende Unterstützung

Angesichts der Krise der HIV-Behandlung an Bord beschreitet die ITF aktiv eine Reihe von Wegen, um zur Förderung und dem Schutz der Gesundheit von HIV-positiven und -gefährdeten Seeleuten beizutragen.

Ein Beispiel für diese kontinuierliche Unterstützung ist der Aufbau des weltweit ersten Netzwerks für HIV-positive Seeleute. Gemeinsam mit der philippinischen Gewerkschaft AMOSUP initiierte die ITF die Gründung der Organisation Positibong Marino Incorporated Philippines (PMPI), die offiziell als Selbsthilfe- und Unterstützungsgruppe eingetragen ist. Die Gruppe setzt sich für die Verteidigung der Rechte HIV-positiver Seeleute gleich welcher Nationalität ein, die wegen ihres Gesundheitsstatus Probleme haben, Beschäftigung zu finden.

Es war besonders wichtig, eine solche Gruppe in den Philippinen einzurichten, da das Land eine Zunahme neuer HIV-Infektionen verzeichnet und philippinische Seeleute in ihrer Berufsgruppe die Mehrheit ausmachen. Während der Covid-19-Pandemie leisten die ITF und die PMPI HIV-positiven Seeleuten, die sich an Bord von Schiffen befinden und dringend Medikamente benötigen, anhaltende Unterstützung.

Den Fokus schärfen

Kurzfristig hofft die ITF, dass eine rasche Refokussierung auf HIV/Aids die Diskrepanz überbrücken und dazu beitragen wird, dass HIV-gefährdete und -positive Verkehrsbeschäftigte ohne Beeinträchtigung durch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie die ihnen zustehende Behandlung und Pflege erhalten.

Mit Blick auf die weitere Zukunft ist die Organisation der Ansicht, dass es für die Verantwortlichen jetzt an der Zeit ist, die aus dem Umgang mit der Covid-19-Pandemie gezogenen Lehren zu prüfen, um sie in einen wirksamen Maßnahmenplan für künftige Epidemien oder Pandemien einmünden zu lassen. Insbesondere sollten Regierungen und Gesundheitsbehörden dem Zugang zu HIV-Medikamenten und -Behandlung Vorrang einräumen, vor allem für Seeleute, die von der derzeitigen Crewwechsel-Krise betroffen sind.

Die ITF ist der Ansicht, dass jetzt die Räder in Bewegung gesetzt werden müssen, um Strategien und Prozesse in Betracht zu ziehen, die eine schnellere und wirksamere Reaktion auf neue und neu auftretende Krankheiten gewährleisten, ohne dabei die bereits bestehenden Krankheiten zu vergessen, und dabei sicherzustellen, dass die marginalisierten Mitglieder der Gesellschaft nicht auf der Strecke bleiben.

Dr. Asif Altaf, der Koordinator des ITF-Programms für HIV/Aids sowie Gesundheit und Wohlbefinden, erklärte in einer Stellungnahme: “Die ITF setzt sich für die Gesundheit und Zufriedenheit von Seeleuten und die Beseitigung der Stigmatisierung und Diskriminierung ein, der Beschäftigte mit HIV/Aids nach wie vor ausgesetzt sind. Die Welt war und ist durch die Covid-19-Pandemie mit nie dagewesenen Herausforderungen konfrontiert, aber das darf kein Anlass sein, HIV/Aids aus dem Blick zu verlieren. An diesem Welt-Aids-Tag fordern wir alle Akteure in der gesamten Verkehrswirtschaft dazu auf, die Beseitigung der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und rechtlichen Ungleichheiten, die die HIV-Krise verfestigen, weiter im Fokus zu behalten – und der Stigmatisierung und Diskriminierung, die nur zu oft mit der Krankheit verbunden sind, ein Ende zu setzen.”

ITF-Generalsekretär Stephen Cotton sagte: “Covid-19 hat die drastischen globalen Ungleichheiten ins Licht gerückt, von denen die am stärksten Ausgegrenzten der Gesellschaft am meisten betroffen sind. Da unsere wertvollen Verkehrsbeschäftigten weltweit oft wesentliche Arbeit an und über Ländergrenzen hinweg verrichten, sind sie zweifellos besonders gefährdet – insbesondere die HIV-Positiven unter ihnen. Die Akteure in der gesamten Verkehrsbranche müssen jetzt handeln, um denjenigen, die am Rande der Gesellschaft arbeiten, Vorrang zu geben und sie zu schützen, unter anderem indem sie wichtige HIV-Präventionsdienste aufrechterhalten.”

VOR ORT