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Verbannung unsicherer Schiffe aus dem Mittelmeer: ITF nimmt die vier schlimmsten Flaggen ins Visier

NACHRICHTEN Presseerklärung 20 Mar 2023

Bis zu 1.000 Schiffe unter den Flaggen von Palau, Sierra Leone, Togo und den Cookinseln werden in den kommenden acht Wochen im gesamten Mittelmeerraum von einem Heer von Inspektor*innen im Auftrag der Internationalen TransportarbeiterFöderation (ITF) sowie von Seeleutegewerkschaften und Hafenbehörden auf ihre Sicherheit, ihren Wartungszustand und das soziale Wohl der Besatzungsmitglieder überprüft.

"Unternormige Seeschifffahrt hat im Mittelmeer eine Verschlechterung der Heuern und Bedingungen von Seeleuten zur Folge und gefährdet das Leben von Besatzungsmitgliedern und unsere Umwelt," erklärte der Koordinator des ITF-Inspektorats Steve Trowsdale.

"Diese Flaggen nehmen Geld von Reedern, um Schiffe zu registrieren, die andere Länder nie und nimmer akzeptieren würden. Darunter sind zahlreiche alte Schiffe, die von ihren Eignern schlecht instandgehalten werden. Viele dieser Schiffe sind gefährlich und sollten nicht mehr eingesetzt werden, " so Trowsdale.

Anlass der Blitzaktion ist eine neue Analyse, aus der hervorgeht, dass diese vier Billigflaggen in den letzten zwei Jahren für die Zurücklassung von mehr als 100 Seeleuten und Heuerrückstände in Millionendollarhöhe verantwortlich waren, die die ITF dann für die Besatzungsmitglieder bei den Reedern eintreiben musste.

"Wenn die ITF oder ihr angeschlossene Gewerkschaften die Flaggen auffordern, durch verantwortungslose Reeder verursachte Probleme abzustellen, z. B. bei der Zurücklassung von Seeleuten, sind diese Flaggen urplötzlich von der Bildfläche verschwunden, sie kassieren das Geld und machen sich aus dem Staub," so Trowsdale.

In nur drei Jahren waren die Cookinseln, Palau, Sierra Leone, Togo verantwortlich für:

  • 33 Fälle der Zurücklassung von Besatzungen, von denen über 100 Seeleute betroffen waren, die zum großen Teil ohne Geld, Lebensmittel, Wasser oder Möglichkeit zur Rückkehr in ihre Heimatländer im Stich gelassen wurden.[1]
  • Über 5.500.000 US-Dollar an nicht ausgezahlten Heuern, die die ITF für die Seeleute bei den Reedern einfordern musste.[2]
  • 5.203 Beanstandungen oder Arrestierungen durch die Durchsetzungsbehörden der europäischen Hafenstaatkontrolle.[3]

Die ITF-Inspektor*innen werden in Frankreich von den Hafenstaatkontrollbehörden des Landes unterstützt, die regional organisiert sind, erklärte Trowsdale.

Auch sie werden die vier Flaggen ins Visier nehmen. Diese Entscheidung macht Sinn in Anbetracht der Tatsache, dass Schiffen, die unter diesen Flaggen fahren, laut den Absichtserklärungen von Paris und Tokio in den meisten Länder Europas und des asiatisch-pazifischen Raums der Zugang zu Häfen untersagt ist bzw. vor ihnen gewarnt wird.

Sierra Leone hat nach eigenen Angaben vor kurzem Verbesserungen vorgenommen. Aus diesem Grunde wurde diese Flagge im Juni 2022 in der Absichtserklärung von Paris von der Schwarzen Liste ('sehr hohes Risiko') in die Graue Liste ('hohes Risiko') abgestuft. Nichtsdestotrotz wird der westafrikanische Staat (dessen Register in Wirklichkeit von der Mittelmeer-Insel Zypern aus betrieben wird) weiterhin als eine von nur drei Flaggen in der aktuellsten Schwarzen Liste der Absichtserklärung von Tokio geführt.

Togo, Cookinseln, Palau und Sierra Leone sind die schlimmsten Flaggen der Seeschifffahrt

"Sie sind heute die schlimmsten Flaggen, unter denen Schiffe im Mittelmeer operieren," erklärte Seddik Berrama, der Generalsekretär der algerischen Verkehrsgewerkschaft FNTT und ITF-Vizepräsident für die arabische Welt.

Berrama sagte, es sei bezeichnend, dass die vier Flaggen nicht in den weißen Listen aufgeführt sind, die im Rahmen der Pariser und Toktioter Absichtserklärungen jährlich veröffentlicht werden.[4]

"Die weltweit größten Organisationen der Hafenstaatkontrollbehörden haben erklärt, dass diese Flaggen nicht gut sind. Sie stufen sie unter einem hohem oder sehr hohem Risiko ein. Das ist im Hinblick auf die Sicherheit der Besatzungen nicht akzeptabel und genauso inakzeptabel für diejenigen von uns, die auf saubere Meere angewiesen sind, wie die Bevölkerung in unseren Häfen hier in Algerien, " so Berrama.

"Unser Ziel ist es, die Fälle unternormiger Seeschifffahrt aufzudecken, die wir regelmäßig in unseren Häfen beobachten. Wenn es uns gelingt, die Missstände, denen die Besatzung an Bord ausgesetzt ist und die nur allzu oft von diesen Flaggen ignoriert werden, bekannt zu machen, werden wir die klare Botschaft aussenden, dass unternormige Seeschifffahrt inakzeptabel ist. "

 

                                          

Berramas Gewerkschaft ist nicht die einzige, deren Mitglieder über den Wettlauf nach unten besorgt sind, den Togo, die Cookinseln, Palau und Sierra Leone im Mittelmeer betreiben.

Die Gewerkschaft der Seeleute Kroatiens an der Nordküste des Mittelmeers zeigt sich schon seit mehreren Jahren zunehmend frustriert über die Risiken, die einige Flaggen für Seeleute darstellen. Auf dem ITF-Kongress im Jahr 2018 wurde ein Entschließungsantrag der Gewerkschaft angenommen, in dem das Gewässer zum "Meer der Billigflaggen" erklärt und die ITF beauftragt wurde, eine gezielte Kampagne zur Befreiung des Mittelmeers vom Übel der unternormigen Seeschifffahrt zu entwickeln.

Seddik Berrama, FNTT-Generalsekretär und ITF-Vizepräsident (Arabische Welt), bringt während der Pandemie im Jahr 2020 Versorgungsgüter an Bord eines Schiffes in Algier (Algerien)

Fallbeispiel: Crew ohne Lebensmittel an Bord der unter der Flagge von Sierra Leone fahrenden Kassandra zurückgelassen

Ein unter der Flagge von Sierra Leone fahrender Stückgutfrachter wurde vor kurzem 23 Tage von der israelischen Hafenstaatkontrolle in Haifa festgehalten, nachdem 46 Mängel in den Bereichen Konstruktion, Navigation, Brandsicherheit und Wohlbefinden der Besatzung auf der Kassandra (IMO: 9118276) festgestellt worden waren.

Es gab an Bord keine funktionierenden Kühlschränke, sodass die Seeleute keine Möglichkeit hatten, in der brütenden Mittelmeerhitze Lebensmittel kühl zu halten.

"Es war August, eine Zeit, in der es sehr heiß und schwül ist," erklärte ITF-Inspektor Assaf Hadar. "Die Lebensmittelvorräte waren knapp, und es war nur ein wenig Gemüse an Bord vorhanden. Es reichte nicht, um die Fahrt fortzusetzen. So etwas ist typisch für diese Flagge."

Hadar ist einer von zwei Dutzend ITF-Inspektor*innen, die an den strengen Kontrollen aller Schiffe teilnehmen, die in Palau, Sierra Leone, Togo und den Cookinseln registriert sind. 

"Diese Flaggen sind ein großes Problem für die Seeleute, die im Mittelmeerraum arbeiten. Meiner Erfahrung nach nutzen Reeder diese Flaggen, weil sie denken, auf diese Weise Seeleute schlecht behandeln oder an der Sicherheit sparen zu können. Tja, das können sie nicht – jedenfalls nicht solange die ITF da ist!" erklärte Hadar.

Assaf Hadar, ITF-Inspektor in Haifa, Israel I (Bildquelle: ITF)

[1] IAO-Datenbank über die Zurücklassung von Seeleuten; Daten des ITF-Inspektorats über Zurücklassung [2] Daten des ITF Inspektorats über Heuereintreibungen [3] Pariser Absichtserklärung, 2020-22[4] In der Pariser Absichtserklärung heißt es: "Jedes Jahr werden im Rahmen des Jahresberichts für die Pariser Absichtserklärung neue weiße, graue und schwarze Listen veröffentlicht. Die weißen, grauen und schwarzen Listen enthalten das gesamte Spektrum an Flaggen, von qualitativ guten Flaggen bis hin zu Flaggen mit schlechter Bewertung, die als hohes oder sehr hohes Risiko eingestuft werden. Sie basieren auf der Gesamtzahl an Inspektionen und Arrestierungen über einen fortlaufenden 3-Jahres-Zyklus für Flaggen mit mindestens 30 Überprüfungen in diesem Zeitraum." 

ENDE 

Über die ITF: Die Internationale Transportarbeiter Föderation (ITF) ist ein demokratischer, von Mitgliedern geführter Verband von Verkehrsgewerkschaften und als die weltweit führende Institution mit Zuständigkeit für den Verkehrssektor anerkannt. Wir engagieren uns für die Verbesserung des Arbeitslebens und vernetzen Gewerkschaften aus 140 Ländern miteinander, um Rechte, Gleichheit und Gerechtigkeit für ihre Mitglieder zu sichern. Wir sind Sprachrohr für die knapp 20 Millionen Männer und Frauen, die die Mobilität der Welt sicherstellen.

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