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Neue Antigewerkschaftskampagne bei Wizz Air: Vier Gewerkschaftsmitglieder entlassen

NACHRICHTEN 27 Aug 2020

Die jüngsten Vorfälle am Wizz Air-Standort Kiew zeigen, was eine solche gewerkschaftsfeindliche Haltung in der Praxis bedeutet. An einem Arbeitsplatz, der schon in der Zeit vor Covid-19 durch das unangemessene Verhalten des Managements belastet war, nutzt das Unternehmen die Pandemie als willkommenen Vorwand, um sich im Rahmen einer aggressiven Antigewerkschaftskampagne bestimmter Mitarbeiter*innen zu entledigen.

Alles begann im Mai, als Wizz Air im Kanon mit mehreren anderen europäischen Fluggesellschaften die Beschäftigungsbedingungen seines Personals unter dem Deckmantel der Pandemie verschlechterte. Das Kabinenpersonal wurde zur Unterzeichnung neuer Verträge gezwungen, die eine erhebliche Gehaltskürzung vorsahen – eine Senkung des Grundgehalts und branchenspezifischer Zuwendungen um 25 Prozent.

Um seine Rechte zu schützen, gründete das Kabinenpersonal im Kiew am 17. Mai eine Gewerkschaft und teilte dies der dortigen Unternehmensleitung am 22. Mai mit. Ohne jemals auf diese Information zu reagieren oder die Gewerkschaft in irgendeiner anderen Weise direkt zur Kenntnis zu nehmen, startete das Management eine aggressive Antigewerkschaftskampagne.

Verschiedene Ebenen des Wizz Air-Management versuchten, den Angestellten einzureden, dass die Mitgliedschaft ihnen nur schaden werde, dass die Basis in Kiew geschlossen werde und alle entlassen würden, weil das Unternehmen keine Gewerkschaften dulde. Dies geschah größtenteils indirekt – die örtliche Unternehmensleitung rüstete sich mit Anwälten aus und sorgte dafür, dass andere diese Gerüchte verbreiteten. Über Strohmänner (Ausbilder und einige Angestellte, die dem Leiter der Basis nahestanden) brachte das Management Lügen über die Gewerkschaft in Umlauf.

Diese gewerkschaftsfeindlichen Bemühungen eskalierten am 29. Mai bei einer Online-Konferenz mit Angestellten, der obersten Leitungsebene und ihren Anwälten. Auf dieser Sitzung erklärte Diederik Pen, der stellvertretende Vorsitzende und Group Chief Operating Officer von Wizz Air:

“Wir akzeptieren und verstehen sogar, dass einzelne Personen enttäuscht, frustriert und sogar wütend sind. Wir akzeptieren auch, dass manche es sogar für nötig hielten, Rechtsanwälte einzuschalten, um einen Rechtsstreit zu beginnen, und vielleicht noch andere Maßnahmen ergreifen werden. Es ist ihr Recht. Aber auf der anderen Seite hat auch das Unternehmen Rechte, und wir werden alle Hebel in Bewegung setzen, um eure Interessen nachdrücklich zu schützen, aber auch das Unternehmen zu verteidigen. Wir werden das auf gerechte, faire und rechtmäßige Weise tun. Das bedeutet, dass wir vielleicht nicht sofort handeln können, aber wir versichern euch, das Unternehmen wird sich zur Wehr setzen. Das Unternehmen ist rechtlich nicht dazu befugt, zu einer solchen Initiative Stellung zu nehmen. Wir fordern alle Mitarbeiter*innen dazu auf, zu bedenken und zu berücksichtigen, dass das Unternehmen immer im besten Interesse der Angestellten und der Firma handelt. Wir müssen im Interesse beider Seiten handeln, was nicht immer leicht ist, aber wir versuchen unser Bestes. Wir hoffen, dass niemand sich durch Initiativen beirren lässt, die von obskuren Anwälten und zornigen Menschen ausgeheckt wurden.”

Aus der Art und Weise seiner Wortwahl lässt sich schließen, dass er von Anwälten beraten wurde, was er sagen kann und was nicht. Gleichzeitig wollte er klarstellen, dass das Unternehmen gewerkschaftliche Aktivitäten nicht billigt. Er ging sogar noch weiter und zog alle beteiligten Personen in Misskredit – die Gewerkschaftsmitglieder und ihre Rechtsanwälte – indem er sie als “obskure” und “zornige” Menschen bezeichnete.

Pen hielt sich in seinen Aussagen gegenüber den Beschäftigten zwar noch zurück, ganz anders jedoch der Vorstandsvorsitzende József Váradi bei einer weiteren Sitzung im Juni. Dort stellte Váradi der oberste Leitungsebene und den Angestellten von Wizz Air ein Ultimatum: Entweder ihr stoppt die Gewerkschaft oder wir schließen die Basis in Kiew.

Ende Juli erreichten die gewerkschaftsfeindlichen Maßnahmen ihren Höhepunkt mit der Entlassung von vier Beschäftigten: Yuliia Batalina und Hanna Teremenko (Vorsitzende und stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft), Artem Tryhub (Mitglied des Gewerkschaftsrats) und Andriy Chumakov (Gewerkschaftsmitglied). Sie alle waren seit Jahren bei Wizz Air beschäftigt. Als Kabinenpersonalmitglieder wurden ihnen in ihren Beurteilungen und bei der betrieblichen Mitarbeit gute Leistungen bescheinigt.

Alle Anhaltspunkte führen zu derselben Schlussfolgerung: Wizz Air versucht, unter dem Vorwand der Covid-19-Epidemie die Beschäftigungsbedingungen zu verschlechtern und gewerkschaftliche organisierte Angestellte ungerechtfertigt zu entlassen. 

Dies ist nicht der erste Versuch des Unternehmens, mit der Diskriminierung von Gewerkschaftsmitgliedern durchzukommen. Im Juni 2015 befand der rumänische Nationale Rat für die Diskriminierungsbekämpfung Wizz Air für schuldig, 19 Mitarbeiter*innen wegen ihrer Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft entlassen zu haben. In seiner Urteilsbegründung sagte der Rat, dass die Kündigung der Arbeitsverträge der Gewerkschaftsmitglieder diskriminierend sei und diese Diskriminierung darüber hinaus die Absicht verfolge, die Gewerkschaftsbewegung zu stoppen, was eine schwere strafbare Handlung ist. Im Juli desselben Jahres ordnete ein Gericht die Wiedereinstellung der von Wizz Air entlassenen Kabinenpersonalmitglieder an. Im März 2019 kam auch der Oberste Gerichtshof in Rumänien zu dem Urteil, dass Wizz Air Beschäftigte aufgrund ihrer Gewerkschaftsmitgliedschaft diskriminiere.

Dieser Fall in Rumänien zeigt, das Wizz Air nicht über dem Gesetz steht. Beschäftigte, die sich zusammenschließen, um für ihre Grundrechte zu kämpfen, haben schon in der Vergangenheit gewonnen und werden das auch in Zukunft tun.

ETF und ITF stehen den entlassenen Gewerkschafter*innen im Kampf für Vereinigungsfreiheit zur Seite. Wir fordern Wizz Air auf, den entlassenen Gewerkschaftsmitgliedern ihre Arbeitsplätze wiederzugeben, ihre Gewerkschaft anzuerkennen und in einen Dialog mit der Beschäftigtenvertretung einzutreten.

VOR ORT