Über 100 globale Verkehrsgewerkschaften aus 52 Ländern haben den britischen Verkehrsminister Grant Shapps in einem Schreiben aufgefordert, mit den streikenden britischen Gewerkschaften zusammenzutreffen.
In dem Schreiben, das von der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) koordiniert wurde, die weltweit 20 Millionen Verkehrsbeschäftigte vertritt, bringen die Unterzeichner ihre Empörung darüber zum Ausdruck, dass die britische Regierung Einsparungen bei Schienenverkehrsdiensten und -infrastrukturprojekten vornehmen will, und warnen davor, dass dies die Glaubwürdigkeit Großbritanniens im Hinblick auf die Arbeitsbeziehungen gefährden könnte.
Streiks von Mitgliedern der Gewerkschaften RMT, Unite the Union und ASLEF im britischen Eisenbahnsektor und bei der Londoner U-Bahn haben weltweit für Aufsehen gesorgt, da Gewerkschaften in anderen Verkehrssektoren und Ländern sich wegen ähnlicher Forderungen im Bereich von Löhnen und Beschäftigungsbedingungen für Arbeitsniederlegungen rüsten. Am Donnerstag kündigten die Beschäftigten im britischen Flughafen Heathrow an, in den bevorstehenden Sommerferien in den Ausstand zu treten.
Im Vorfeld weiterer Arbeitsniederlegungen der RMT am Samstag, den 25. Juni, erklärte ITF-Generalsekretär Steve Cotton:
"Gewerkschaften in aller Welt sind schockiert darüber, dass Großbritannien weniger als ein Jahr, nachdem es sich auf der COP26 zur Unterstützung des Dialogs mit den Gewerkschaften verpflichtet hat, Kürzungen bei Schienenverkehrsdiensten vornehmen und Infrastrukturprojekte streichen will, just zu dem Zeitpunkt, wo es den öffentlichen Verkehr eigentlich ausbauen und fördern sollte."
"Die Regierung hat Millionen in die Rettung privater Unternehmen gepumpt, die Beschäftigten hielten das System am Laufen. Während der Pandemie pries der Verkehrsminister die Bahnbeschäftigten als 'wahre Helden', und nun, wo wir die Krise allmählich überwinden – während die Lebenshaltungskostenkrise sich verschärft und die Inflation in Großbritannien den höchsten Stand seit 40 Jahren erreicht – ist das erste, was er tut, eben diese Beschäftigten den Kopf hinhalten zu lassen."
"Grant Shapps muss sich klarmachen, dass der internationale Ruf Großbritanniens in puncto Arbeitsbeziehungen auf dem Spiel steht. Wenn er weiterhin nicht einmal mit nationalen Gewerkschaften reden will, worauf hofft er dann eigentlich, wenn seine Regierung internationale Gewerkschaften im Rahmen ihrer Agenda 'Global Britain' mit ins Boot nehmen will?"
"Auf internationaler Ebene, wo sich Gewerkschaften, sei es im Bahnsektor, im Luftverkehr oder in der Schifffahrtswirtschaft, mit Branchenakteuren, Arbeitgebern und Regierungen an einen Tisch setzen, beobachten wir einen reibungsloseren Übergang aus der Corona-Krise. Die britische Regierung hat es in der Hand, eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung von der Pandemie in die Wege zu leiten. Dazu gehört eine langfristige und solide Finanzierung von National Rail und Transport for London (TfL). Wenn sie sich weiter weigert, an den Verhandlungstisch zu kommen, wird diese Chance im Interesse der Politik verspielt."
ITF-Präsident Paddy Crumlin nahm aus Sydney (Australien) zu den Vorgängen Stellung:
"Die Welt verfolgt den Ablauf dieses Arbeitskonflikts. Grant Shapps muss sich entscheiden. An den Verhandlungstisch zu kommen und den Verkehrsbeschäftigten Großbritanniens den Respekt und die Achtung entgegenzubringen, die sie nach seinen eigenen Worten verdienen. Oder weiter sich selbst und seine Regierung Lügen zu strafen und die Beschäftigten zu verraten, die sie vor Monaten noch gepriesen hat und deren Interessen sie angeblich vertritt, um stattdessen die Taschen der millionenschweren Bahnbosse zu füllen."
"Die RMT hat erklärt, dass sie ihre Arbeitskampfkampagne fortsetzen wird, bis eine Einigung ausgehandelt ist. Heute haben sich Verkehrsgewerkschaften auf der ganzen Welt nachdrücklich mit den mutigen Bahnbeschäftigten an den Streikposten in ganz Großbritannien solidarisch erklärt und der RMT ihre Unterstützung zugesichert, bis eine Einigung erzielt ist."
Auch die europäischen Gewerkschaften meldeten sich zu Wort. So forderte ETF-Präsident Frank Moreels den Verkehrsminister zum Handeln auf:
"In dieser Woche haben 50.000 Bahnbeschäftigte in ganz Großbritannien im größten Streik bei der britischen Eisenbahn seit 1989 die Arbeit niedergelegt. Seien Sie sich darüber im Klaren: Verkehrsgewerkschaften in ganz Europa und weltweit stehen bereit, die britischen Bahngewerkschaften zu unterstützen, wenn der Arbeitskampf nach den Streiks dieser Woche eskaliert. Die Regierung muss eingreifen und für eine Lösung sorgen, die Arbeitsplatzsicherheit und eine Lohnerhöhung unter Berücksichtigung der eskalierenden Lebenshaltungskosten gewährleistet."
Über die ITF: Die Internationale Transportarbeiter Föderation (ITF) ist ein demokratischer, von Mitgliedern geführter Verband von Verkehrsgewerkschaften und als die weltweit führende Institution mit Zuständigkeit für den Verkehrssektor anerkannt. Wir kämpfen engagiert für die Verbesserung des Arbeitslebens und vernetzen Gewerkschaften aus 140 Ländern miteinander, um Rechte, Gleichheit und Gerechtigkeit für ihre Mitglieder zu sichern. Wir sind Sprachrohr für 20 Millionen Männer und Frauen, die die Mobilität der Welt gewährleisten.